Verurteilt für einen Mord, den er nicht begangen hat, wartet der schwarze Walter McMillian in Alabama auf seine Hinrichtung. Als der junge Anwalt Bryan Stevenson 1988 nach Monroe kommt, keimt die Hoffnung auf, den Platz auf dem Todesstuhl doch nicht einnehmen zu müssen. Es beginnt ein Kampf um Gerechtigkeit vor dem Gesetz, wie ihn Alabama noch nicht gesehen hat.

FILMINFO

Just Mercy
Drama
USA, 2019
137 Minuten

Regie: Destin Daniel Cretton
Drehbuch: Destin Daniel Cretton, Andrew Lanham
Hauptrollen:  Michael B. Jordan, Brie Larson, Jamie Foxx

Kinostart in Deutschland: 27.02.2020

Plot

Es ist der 1. November 1986. Mitten am Tag wird die 18-jährige Ronda Morrison an ihrem Arbeitsplatz in einer Reinigung in Monroeville, Alabama erschossen. Kurze Zeit später wird der schwarze Walter McMillian (Jamie Foxx) verhaftet und für den Mord an der jungen weißen Frau zum Tode verurteilt. Laut einer Zeugenaussage soll er Ronda getötet haben, obwohl Dutzende sein Alibi bezeugen können.

Zwei Jahre später kommt der junge Anwalt Bryan Stevenson (Michael B. Jordan) nach Monroe, Alabama. Anstatt lukrative Jobs fernab der Südstaaten anzunehmen, entscheidet sich der Harvard-Absolvent, für die Rechte derer zu kämpfen, um die sich kaum einer zu scheren scheint und gründet die Equal Injustice Initiative. Gemeinsam mit der Rechtsberaterin Eva Ansley (Brie Larson) gibt Bryan den Gefangenen im Todestrakt nicht nur eine Stimme, sondern auch den Rechtsbeistand, den sie verdienen, aber nie hatten.

Im Gefängnis trifft Bryan auf Walter. Nach Sichtung der Akten bleibt für Bryan kein Zweifel: Walter kann die junge Frau nicht getötet haben. Schnell erkennt er das Problem hinter Walters unrechtmäßiger Verurteilung zum Mörder: Walter und die, die sein Alibi bestätigen, sind schwarz; der ihn belastende Zeuge, die Ermittler und der Staatsanwalt weiß. Den strukturellen Rassismus aufzudecken, der nicht nur Walter, sondern auch weitere Insassen unrechtmäßig in die Todeszelle sperrt, stellt Bryan und sein Team vor professionelle, bürokratische und persönliche Herausforderungen. Immer wieder wird auch Bryan selbst zur Zielscheibe rassistischer Politik und Schikane. Um Walters Unschuld zu beweisen, beginnt ein Kampf um Gerechtigkeit vor dem Gesetz, wie ihn Alabama noch nicht gesehen hat.

Wenn Recht unrecht ist

Just Mercy beruht auf der gleichnamigen Autobiografie von Bryan Stevenson (2015) und erzählt die wahre Geschichte des zu Unrecht verurteilten Walter McMillians und den Rückschlägen und Erfolgen der Equal Injustive Inititiative, die über 140 verurteilten Menschen im Gefängnis mit Rechtsbeistand zu einem gerechten Gerichtsprozess verhalf.

Bild: Wesley Tingey // Unsplash

Just Mercy ist ein Gerichtsfilm, der tief trifft, denn er läuft frontal auf die Mauern des Rassismus zu und zeigt, wie schwer es ist, sie einzureißen, besonders wenn sie ein Stahlgerüst aus privilegierten Weißen mit dem Recht auf ihrer Seite stützt. Jamie Foxx, der in Quentin Tarrantinos Western Django Unchained (2012) bereits einen Sklaven im 19. Jahrhundert spielte, nimmt erneut die Bürde eines schwarzen Mannes auf sich, dem das System nicht nur keinen Gefallen tut, sondern aktiv sein Leben bedroht. Jamie Foxx’ überzeugende Hingabe für die Rolle zeigt sich so vor allem in seiner Mimik voller Unglaubwürdigkeit und Verzweiflung ob seines Schicksals. Ein tapferes und gelungenes Porträt, auch wenn sich mit einer unrechtmäßigen Verurteilung zum Tode zu leben zwar vorgestellt, aber wohl nicht begriffen werden kann.

Es ist Michael B. Jordan, der in der Rolle des jungen Anwalts Bryan Stevenson, Walter McMillian wieder einen Hoffnungsschimmer in seine leeren Augen zaubert und der anderen Seite der Leinwand eine Idee davon gibt, was es heißt für weniger Privilegierte einzustehen, einen schweren Weg da zu bahnen, wo Barrikaden jegliches Durchkommen verwehren und dabei stets auch sich selbst in Gefahr zu wissen. Eva Ansley steht ihm als Rechtsberaterin der Equal Injustice Initiative zur Seite, die sowohl im Film als auch im echten Leben eine bedeutende Rolle spielt. Verkörpert von Oscar-Preisträgerin Brie Larson (Room, 2015) zeigt sie sowohl die Kraft und den Mut als auch die Müdigkeit und Niedergeschlagenheit derer, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, sich gegen Unrecht zu engagieren.

Bild: Carl Nenzen Loven // Unsplash

Regisseur Destin Daniel Cretton schafft es, das Gerichtsdrama so zu inszenieren, dass kaum eine der Figuren eindimensional bleibt. Da ist eben nicht einfach nur ein Staatsanwalt, der ein rassistisches Arschloch ist, sondern einer, der unter viel systematischem Druck steht, und sich zwischen Recht und Unrecht entscheiden muss, wo eigentlich schon Recht gesprochen wurde. Da ist ein Verurteilter, der für die US-Regierung in Vietnam mehrfach tötete, jedoch alleingelassen wird, als seine Vergangenheit ihn auch vor Gericht zu einem Mörder macht. Da ist ein Belastungszeuge, der nicht einfach weiß und böse ist, sondern Opfer von Gewalt und Nötigung wurde, und sich im Kreuzfeuer eines infiltrierten Systems findet, als er sein eigenes Leben gegen das eines anderen aufwiegen muss. Tim Blake Nelson ist in der Rolle des Ralph Meyers dabei so überzeugend, dass es einem die Kehle zuschnürt.

Einfach Gnade?

Just Mercy entwickelt innerhalb seiner 137 Minuten eine Dramatik, die sich auf Herz und Verstand legt und die Art der bedrückenden Stille im Kinosaal erzeugt, wie es nur Filme mit Realitätsanspruch vermögen. Die Abgründe des Rechtssystems innerhalb einer wahren Geschichte zu erleben, das bietet Just Mercy mit einem sowohl umwerfend guten Cast als auch Drehbuch. Das Drama spielt Ende des 20. Jahrhunderts und kommt deswegen anders als Django Unchained (2012) oder 12 Years A Slave (2013) ohne spritzendes Blut und explizite Gewalt aus. So erzählt Just Mercy das Narrativ rundum den noch immer nicht abgeklungenen Rassismus in den Vereinigten Staaten mit der bedrückenden Gewaltigkeit eines unterschwellig rassistisch-motivierten Systems und ist dabei ein mahnender Zeigefinger an Rechtssysteme inner- und außerhalb der USA.

Wie relevant der Plot der Neunziger noch heute ist, zeigen die Fakten: 2,2 Millionen Menschen sitzen in den USA zurzeit im Gefängnis. Laut der National Association for the Advancement of Colored People (NACCP) werden Schwarze fünfmal häufiger verhaftet als Weiße. Obwohl afro-amerikanische und hispanische Menschen nur 32 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung ausmachen, stellten sie im Jahre 2015 mit 56 Prozent über die Hälfte der Gefängnisinsassen, so die NACCP. Laut eines Interviews mit Bryan Stevenson, ist es für Schwarze elfmal wahrscheinlicher die Todesstrafe zu bekommen als für Weiße. Zahlen, die zwar erklärbarer werden, wenn mensch sich vor Augen führt, dass immer mehr amerikanische Gefängnisse privatisiert werden und eine wirtschaftliche Agenda verfolgen. Gleichzeitig sind dies jedoch auch Zahlen, die die Infragestellung und das Anprangern der rassistischen Strukturen innerhalb des Rechtsapparats unumgänglich machen. So steht am Ende von Just Mercy die Erkenntnis, dass es anstatt um „einfach Gnade“, eigentlich um „endlich Gerechtigkeit“ geht.

Filmbewertung der Kinokatze: 10/10

Bild: Felix Mooneeram // Unsplash

Kleiner Exkurs zur Filmbesetzung

Wenn auch hauptsächlich mit einem männlichen Cast arbeitend, was wohl der Originalhandlung der Neunziger geschuldet ist, besteht Just Mercy den Bechdel-Test, indem Frauenrollen mehr Dialog zukommt, als Worte über einen Mann zu verlieren. Just Mercy ist außerdem ein Film, in dem die weibliche und männliche Hauptrolle keine Affäre miteinander beginnen und Liebesbeziehungen generell keine große Bühne geboten wird, weil er sich auf die Konflikte mit dem Gesetz und die Schicksale der zum Tode Verurteilten konzentriert.

Als ich den Film im Kino sah, begannen zwei meiner männlichen Freunde zu tuscheln. Ob die Rechtsberaterin und der Anwalt denn jetzt wohl noch was miteinander anfangen würden, fragten sie einander. Dass eine Frau auch eine andere Rolle als ein Love Interest innehaben kann, wissen die beiden an sich zwar, trotzdem verrieten ihre ungezügelten Zungen, dass sie wenigstens ein bisschen Speichelaustausch erwartet hatten. Verständlich, denn so sind wir es aus sehr vielen anderen Filmen gewohnt. Doch nicht in diesem Film, so viel sei verraten, die Rechtsberaterin Eva Ansley und der Anwalt Bryan Stevenson beginnen kein Verhältnis und es steht auch zu keinem Zeitpunkt zur Debatte.

Nach dem Film sprechen wir kurz darüber. Einer meiner Freunde sagt, dass er dann aber nicht verstehe, warum man überhaupt den Ehemann von Eva gezeigt hätte, denn der tauche ja schließlich nur in sehr kurzen Szenen auf, habe fast nichts gesagt, keinerlei Character Development und somit auch keine weitere Relevanz. „Naja, er spielt die Ehefrau“, sage ich daraufhin und erkläre, was auch mir in diesem Moment erst so richtig deutlich wird: Evas Ehemann nimmt die Rolle ein, die sonst im Film eine Frau einnimmt, die stille Partnerin, die in ein, zwei kleinen Szenen auftaucht, ein paar Worte verliert, aber nur dazu da ist, Hintergrund für den männlichen Charakter zu geben und dann gegebenenfalls noch betrogen wird. Mein Freund sieht mich kurz schweigend an und sagt dann: „Hast Recht.“

Seit diesem kurzen Gespräch, habe ich noch viel darüber nachgedacht. Der Fakt, dass es meinem Freund direkt auffällt, dass dort eine männlich besetzte Rolle so vollkommen irrelevant für die Handlung war, zeigt doch, wie ungewöhnlich dies noch zu sein scheint. Zwar brauchen wir Nebenrollen zur Charakterausschmückung, aber bisher kennen wir sie meist nur als weiblich besetzt. Just Mercy macht es anders, wenn auch nur mit einer kleinen Rolle, und beweist so, dass Repräsentation durchaus Relevanz hat. Es bleibt zu wünschen, dass die Filmindustrie all jene, die keine weißen Männer sind, von eindimensionalen Nebencharakteren zu Hauptrollen aufsteigen lässt und die eingeübte Klischeehaftigkeit von Nebenrollen abgelegt werden kann.

Autor*in

Leona ist seit Juni 2014 Teil der Redaktion und war von Dezember 2014 bis Februar 2017 Chefredakteurin der Print-Ausgabe des ALBRECHT. Anschließend leitete sie die Online-Redaktion bis Mitte 2018. Leona studiert Englisch und Französisch an der CAU, schreibt für verschiedene Ressorts der Zeitung und kritisiert Land, Leute, Uni und den Status Quo ebenso gerne wie Platten.

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