Es sollte heutzutage nicht wundern, dass die Weitergabe und allgemeine Verbreitung von Information angesichts der virtuellen globalen Vernetzung eine gigantische Meinungsvielfalt ermöglicht. Gerade aufgrund dieser potentiellen Vielfalt an Meinungen sind in dieser Hinsicht homogene Strömungen interessant. Ein Anfang März aufgetauchtes Video, dass bei „Youtube“ bis Dienstagnachmittag des 20. März über 83 Millionen mal gesehen wurde, zeigt, wie stark die Einflussnahme auf die allgemeine und öffentliche Meinungsbildung sein kann. Kony, so heißt der in diesem Video als Verbrecher der schlimmsten Sorte angeprangerte „Dreckskerl“.

Ein Plakat zur Kampagne: Der Druck auf politische Entscheidungsträger soll durch Werbeaktionen wachsen. Foto: flickr/Robert Raines

Er soll zehntausende von Kindern in Uganda zu Soldaten gemacht und darüber hinaus nicht minder abscheuliche Vergehen zu verantworten haben. Es ist eine Aufforderung an die amerikanische Politik, in Uganda zu intervenieren. Das Video erscheint wie ein schwer zu überbietender Appell an das mitfühlende, menschliche Wesen, dass sich erbarmen sollte, den Kindern in Uganda zu helfen. Klingt soweit plausibel, und selbstverständlich sollte jeder zu Mitgefühl Befähigte dieses Video teilen, doch … Moment! Schon so viele Menschen „posten“ diesbezüglich bei „Facebook“ und auf anderen sozialen Plattformen. Der Anlass selbst droht zu einem sozialen Zwang zu verkommen. Der Trend der Partizipation wird von einem Trend bewusster Ablehnung der Kampagne überholt, aber nicht der Kinder in Uganda wegen. Die Kampagne scheitert an dem, was sie selbst als ihr stärkstes aller Charaktere wähnt: Ihre Glaubwürdigkeit.

So schnell eine weit verbreitete Meinung entsteht, so schnell verläuft sie sich wieder – Woran liegt das? Nun vielleicht an der Vielheit an Information, die in Anlehnung an die Kony-Kampagne vebreitet wird. Ein Journalist aus Uganda, Angelo Izama, sieht in der Kony-Kampagne eine günstige Möglichkeit für die Amerikanische Außenpolitik, Truppen zu entsenden und Unterstützer glauben zu lassen, es gehe demnach um die Anliegen der Kampagne. Doch laut Izama geht es um mehr, als nur um das Wohlergehen der Kinder: „The big story is the oil“. Sollte das stimmen, dann schließt sich die Frage an: „Werden die Kinder in Uganda vom Öl profitieren?“

Alexandra Endres, Redakteurin im Ressort Wirtschaft bei ZEIT ONLINE, schreibt sogar, dass Kony und die LRA seit Jahren nicht mehr aktiv und der Bürgerkrieg vorbei sei. Schnell entsteht der Gedanke an Propaganda und der Trend gegen den Trend nimmt seinen Lauf. Was aus soziologischer Sicht dennoch an dieser Kampagne interessant bleibt, ist diese neue Art Spenden zu sammeln, in dem der potentielle Spender die Bedingungen von Erfolg und Misserfolg der Kampagne gleichsam vor Augen geführt bekommt und selbst darüber entscheiden darf, wie er sich dazu verhält. Was bei der Entscheidung hilft, um einer eventuellen Manipulation ausgesetzt zu sein, ist, die Vielfalt der Informationsquellen frei nach eigenem Ermessen zu nutzen.

Wer also in den jungen Tagen der Kony-Kampagne noch ganz engagiert und mit großem Kraftaufwand verbunden den „Gefällt Mir -Button“ gedrückt hat, weil er oder sie nicht als das herzlose „Schwein“ gelten wollte, findet sich nun inmitten einer Kontroverse wieder.

Autor*in
Share.
Leave A Reply