Möglichst zutreffend, umfassend, unerschrocken, fair – so sollen idealtypische Journalisten über das Weltgeschehen berichten. Diese Ansprüche haben sich in den letzten Jahrzehnten im Wesentlichen kaum verändert. In Zeiten von „Lügenpresse!“-Rufen und einem konstanten Informationsfluss werden die Funktionen und Aufgaben von Journalisten mehr denn je in Frage gestellt. Der Vorwurf, der Nachrichtenjournalismus wäre nicht objektiv genug, ist kein neuer. Schon im Ersten Weltkrieg kritisierten Wissenschaftler und pazifistische Journalisten die Nachlässigkeit der Kollegen bezüglich ihrer professionellen Verantwortlichkeit.  Die unvermeidbare subjektive Wahrnehmung wird unter anderem geprägt durch die persönliche Weltanschauung, Erfahrungen und Interessen.

Der technologische Wandel des letzten Jahrhunderts, der historisch betrachtet im Sekundenbruchteil ablief, macht Journalisten das Berufsleben zusätzlich schwer. Bis dato war der Nachrichtenjournalismus der Presse vorbehalten, die nachträglich über Geschehnisse berichtete. Mit der Einführung des Bewegtbildes wurde diese Prämisse auf den Kopf gestellt. Das 21. Jahrhundert führt es nun ins Extreme, alle einschlägigen Internetplattformen bieten sofortige Übertragungsmöglichkeiten an, die Mitschnitte können dank Smartphone und gutem Empfang gleichzeitig ins Netz gestellt werden.

Journalisten haben die Hoheit über Nachrichten verloren. Sie versuchen nun, in den Augen vieler Millennials und der Generation Z, hastig und wenig professionell online alles nachzuholen, Stichwort Clickbait und langsame Mediatheken. Der Druck, dabei mit Millionen anderen ‚Journalisten‘ im Wettbewerb zu stehen und die Orientierung an der Zielgruppe dabei nicht aus den Augen zu verlieren, bereitet dieser Berufsgruppe zusätzliches Kopfzerbrechen.

Eine weitere Bedrohung der Neutralität im Journalismus stellt die steigende Pressekonzentration in Deutschland dar. Laut dem Medienforschungsinstitut Formatt in Dortmund sind im ersten Quartal 2018 rund 61,6 Prozent der verkauften Gesamtauflagen der Zeitungsbranche von den zehn größten Verlagsgruppen verlegt worden. Ein Monopol der Wenigen entsteht, das durch Fusionen und Einrichtung von Zentralredaktionen die Vielfalt im Zeitungsmarkt minimiert. So gehören beispielsweise die Kieler Nachrichten, Lübecker Nachrichten, Ostsee-Zeitung sowie Segeberger Nachrichten zur Verlagsgesellschaft Madsack aus Hannover, die eine der fünf größten in Deutschland ist. In den wachsenden Monopolgebieten gibt es kaum noch unabhängige Zeitungen, welche für Vielfalt sorgen könnten.

Sinkende Werbeeinnahmen und Auflagenverluste sind Gründe, die zu Einsparungen zwingen. Es wird vermehrt auf Zentralredaktionen zurückgegriffen, die Seiten für ganze Ressorts einheitlich für alle Titel eines Verlages produzieren. Auch externe Redaktionen kaufen inzwischen Produktionen dieser Zentralredaktionen als Ersatz für eigene Produktionen.

Ist das 21. Jahrhundert also das Ende für den Journalismus, wie wir ihn kennen? In jeder noch so kleinen Zeitung kann sofort der letzte Tweet von Donald Trump nachgelesen werden und in manchen Onlinepublikationen überregionaler Zeitungen gibt es mehr Autorenkommentare als Berichte. Die verbalen Ausflüchte des US-amerikanischen Präsidenten dürften für die Lebensrealität der meisten Europäer nicht zu den Gründen gehören, aus denen Leser sich ein Zeitungsabonnement kaufen, Fernseher oder Radio einschalten. Trotz alledem ändert dies nichts an der Notwendigkeit eines Journalismus, der sich den eingangs genannten Kriterien verschreibt. Die Menschen sind dazu in der Lage, sich eine eigene Meinung zu bilden, dafür brauchen sie allerdings Informationen. Vielleicht täten Journalisten gut daran, sich auf ihr Kerngeschäft zu besinnen. Dann ist das 21. Jahrhundert auch nicht ihr Todesstoß.

 

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