Kreativität ist Import-Ware aus Berlin

Es ist da, das neue Design für die Kieler Woche 2024. Im September hat die Jury entschieden, was nächstes Jahr auf allen Plakaten, Bechern, Fahnen und Schlüsselanhängern zu sehen sein wird. Und mal wieder ist die Entscheidung der Jury nicht so richtig nachvollziehbar, denn gewonnen hat ein einfacher Farbverlauf, oben weiß, unten blau. Lesbarer als die wilden Designs der letzten Jahre ist es trotzdem nicht.

Zwischen dem KiWo-Schriftzug und den unten aufgereihten Logos der Sponsor-Unternehmen, bleibt eine weite Fläche aus hellblauem Nichts. Sie soll den Horizont zwischen Himmel und Meer darstellen, schafft aber vor allem Raum für eine Frage: Welche Kriterien hat die Jury des jährlichen Design-Wettbewerbs eigentlich?  

Ich möchte hier auf keinen Fall die Leistung des Gewinners, Jianping He aus Berlin, runtermachen. Wenn man sich allerdings die FAQ-Seite der Kieler Woche oder die Instagram-Kommentare nach der Design-Enthüllung anschaut, scheine ich nicht die Einzige zu sein, die sich wundert. Häufig gestellte Fragen und Antworten beziehen sich auf die Subjektivität von Kunst; warum nicht die Muthesius Kunsthochschule das Plakat entwirft; warum so wenig Gewinner*innen aus Kiel kommen. Tatsächlich werden die Studierenden der Muthesius erst seit diesem Jahr eingeladen. Allerdings konnte niemand von ihnen bisher einen der ersten drei Plätze belegen.  

Und wer sich die Plakate seit 1948 anschaut, merkt schnell: Bisher haben eh nur vier Kieler Designs gewonnen, in den Jahren 1948/49, 1974, 1981 und 2000. Seit 1959 ist der Wettbewerb auch nicht mehr öffentlich. Man braucht eine Einladung, um teilnehmen zu können. Wer eine bekommt, entscheiden jedoch zwei Fachgutachter*innen, die bereits den Wettbewerb gewonnen haben und demnach auch nicht von hier kommen. Auf der Seite der KiWo steht, dass sie „höchste Ansprüche“ an das Design stellen würden und dass allein die Einladung zur Teilnahme in Grafiker*innen-Kreisen „als Auszeichnung gilt“.

Es stimmt schon, dass viele namhafte Designer*innen gewonnen haben, deren Werke auf der ganzen Welt ausgestellt wurden und die wir von Briefmarken, Kriegsdenkmälern oder Logos kennen. Trotzdem ist es auffällig, dass unter den etwa 85 Sieger*innen nur vier aus Kiel kommen, während elf aus Berlin, acht aus Frankreich, und zwölf aus der Schweiz gewonnen haben. Übrigens waren auch nur 15 Frauen vertreten, aber das ist eine andere Sache.  

Kann ja sein, dass es bei uns keine fähigen Designer*innen gibt. Glaube ich aber nicht. Es ist einfach schade, dass kaum Einladungen an Kieler Kunstschaffende geschickt werden. Soweit ich es nachvollziehen konnte, wird die Muthesius auch erst seit 2005 eingeladen und wurde seitdem nur 2007, 2012, 2017 und 2023 in den Wettbewerb eingebunden, bis sie nun anscheinend jedes Jahr mitmachen kann. Worauf ich jetzt eigentlich hinaus möchte? Weiß ich auch nicht mehr so genau.

Am Anfang habe ich mich nur gewundert, dass wir für ein simples Bild extra einen Designer aus Berlin gebraucht haben. Dann habe ich angefangen, mir alle Designer*innen seit 1948 anzuschauen, woher sie kommen und was sie so draufhaben. Und mehr als zweihundert Google-Namenssuchen später will ich nur noch sagen: Ey Kiel, das ist deine Woche. Wäre cool, wenn du auch mal Kieler*innen eine Chance geben könntest. 

Autor*in

Eileen studiert Soziologie/Philosophie und war von Januar 2022 bis Anfang 2024 Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.

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