Der „Fernsehgott“ foto: Dieter Schütz / pixelio.de

Nur einen Kilometer voneinander entfernt und trotzdem keine Möglichkeit, zu kommunizieren. Es tönten nur unverständliche Laute und Rauschen aus dem Telefonhörer, der tatsächlich an einer Strippe hing. Seit fünf Tagen war ich bereits ohne Kommunikations- und Informationsmittel, ein Experiment für mich und mein Umfeld. Denn wie lebt es sich, wenn der moderne Mensch mal ohne Handy, Internet und Fernsehen zurechtkommen muss?

An diesem Tag stellte es sich das erste Mal als fast unmöglich heraus. Denn der Anruf, um abgeholt zu werden, scheiterte an einer defekten Telefonzelle und unzureichender Absprache. Eins wurde schnell klar: Wenn Kontakt nicht jederzeit hergestellt werden kann, müssen sich die Leute besser absprechen. Keine schöne Erfahrung: eine Stunde an einem dunklen Bahnhof und Enttäuschungen, weil ich zu spät kam und die Absprache nicht einhielt. Kein Handy heißt weniger Spontanität, das wurde mir bewusst.

Wir – Lisann, eine 21-jährige Medizinstudentin und Ove, ein 24-jähriger Geisteswissenschaftler – wollten eine Woche unabhängig von Medien leben und herausfinden, ob und wie sich unser Leben dadurch verändern würde. Zu den nicht verwendeten Medien gehörten Tageszeitung, Handy, Fernsehen, Radio und vor allem Internet und PC. Erlaubt waren dagegen Wochenzeitungen, Festnetztelefone und Musik hören. Wir bereiteten uns damit vor, dass wir Nummern aus dem Handy aufschrieben, Studieninformationen ausdruckten, Freunde informierten und Abwesenheitsnachrichten hinterließen. Denn ohne die Ankündigung offline zu gehen, wollten wir unser unwissendes Umfeld nicht dastehen lassen.

„Nach Hause telefonieren“ foto: hw.

Als es dann losging, widerfuhren uns einige außergewöhnliche Situationen, die mit Handy, Internet und Co. nicht aufgetreten wären. Während ich einsam am Bahnhof stand, wartete Ove beispielsweise in der Universitätsbibliothek auf eine Freundin, um zu lernen. Eine Bibliothekarin irrte durch die Halle und kam schlussendlich auf Ove zu. „Sind Sie Ove Bornholt?“, fragte sie. Erstaunt bejahte er ihre Frage. „Dann soll ich Sie von ihrer Verabredung grüßen, sie schafft es leider nicht“, sagte die hilfsbereite Dame. Die Freundin hatte in der Bibliothek angerufen und gebeten, Ove zu finden und zu informieren. So macht man das also ohne Handy – umständlicher, aber es geht.

Da ich mich gerade in einer Lernphase befand, war die soziale Abgeschiedenheit eher von Vorteil und auch Langeweile kam nicht auf. Währenddessen konnte Ove ohne Computer seine Magisterarbeit nicht weiterschreiben und war mit all der Freizeit total überfordert – am Ende der Woche kaufte er sich sogar endlich die lang geplanten Laufschuhe und begann mit dem Joggen. Nach einem Lerntag ohne Ablenkung telefonierte ich ausgiebiger mit Familie und Freunden als sonst und erfuhr von Osama bin Ladens Tod einen Tag später als der Rest der Welt. Auch Ove sah sich gezwungen, zu improvisieren: Statt aus der Sportschau bezog er seine Fußballergebnisse per Anruf vom Kicker- Ergebnisdienst.

Uns beiden fiel auf, dass die Tage ohne E-Mail und SMS deutlich strukturierter wurden. Der obligatorische Blick auf das Mobiltelefon, um sich über die Uhrzeit zu informieren, ging ins Leere. Stattdessen schauten wir uns nach einer öffentlichen Uhr um und fragten sogar bei wildfremden Menschen nach. Alles in allem können wir nun gut beurteilen, dass ein grundsätzlicher Verzicht auf virtuelle Informationsträger gerade für junge Menschen sehr problematisch ist. Gerade wenn es um Dinge wie Oves Magisterarbeit geht, hat es ein Student ohne Internet sehr schwer und ohne Handy ist man zumindest auf eine funktionierende Telefonzelle angewiesen.

Viele unserer modernen Errungenschaften werden dennoch überbewertet. Wir konnten uns zwar in dieser Woche um viele Dinge nicht kümmern, sei es der Blick auf die Fakultätsseite oder das Aktualisieren der Profile in sozialen Netzwerken – Die Pflege des digitalen Ichs blieb auf der Strecke. Doch letztendlich stellten wir fest, dass es uns gar nicht so viel ausmachte. Denn wie viele unserer täglichen Klicks eigentlich ins Leere gehen, wurde uns erst durch ihre Abwesenheit bewusst. Soziale Kontakte wurden in dieser Woche persönlicher und wertvoller. Eine nette Nachricht auf dem Anrufbeantworter vorzufinden, ist heute schöner denn je als die zwar mit Smileys verzierte, aber immer noch graue Mail zu lesen. Nachdem wir unsere 168 Stunden ohne Medien erlebt hatten und die Handys pünktlich um Mitternacht wieder in den Dienst stellten, verpuffte die erlangte Freiheit und aufgekommende Nostalgie unseres kleinen Experimentes. Wir waren wieder ständig erreichbar – und sprangen zurück in den Informationsfluss unserer schnelllebigen Gesellschaft.

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