Journalist Patrik Baab verliert Lehrauftrag an der CAU

Wer mit dem Journalismus liebäugelt, hat vielleicht darüber nachgedacht, dieses Semester das Seminar Recherchieren – Ein Werkzeugkasten zur Kritik der herrschenden Meinung zu besuchen. Daraus wird wohl nichts. Denn der Journalist Patrik Baab, dessen Seminar die Verfasser dieses Textes letztes Semester besuchen konnten, wurde von seinem Lehrauftrag an der CAU freigestellt, weil dessen „Auftreten als ‚Beobachter‘ der völkerrechtswidrigen Scheinreferenden in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine“ den Anschein von Legitimität verleihe, so die Stellungnahme des Präsidiums und des Bereichs Politikwissenschaft der CAU. Was war geschehen? 

Mitte September war Patrik Baab nach Russland und in die Ukraine gereist, um für ein Buchprojekt zu recherchieren. Begleitet wurde er von dem russisch-deutschen Medienschaffenden Sergey Filbert, mit dem er gemeinsam ein Videotagebuch über die Eindrücke ihrer Reise auf Filberts YouTube-Kanal Druschba FM veröffentlichte. In der ersten Episode begründet Baab seine Reise damit, herausfinden zu wollen, ob dieser Angriffskrieg wirklich vom Himmel gefallen sei.

„Warum gehen wir mit diesem Angriffskrieg der Russen so anders, so viel kritischer um als mit den vielen Angriffskriegen, welche die Vereinigten Staaten anderen Nationen aufgezwungen haben?“ Weitere Legitimation findet Baab in dem römischen Rechtsgrundsatz ‚Audiatur et altera pars’, was in etwa bedeutet: ‚Gehört werde auch der andere Teil.’ 

Eine Reise, ein Videotagebuch und eine fragwürdige Begleitung

Und so machte sich Baab gemeinsam mit Filbert auf nach Kaliningrad, Moskau, Rostow am Don und von dort aus weiter in die Ukraine, nach Mariupol und Donezk. In jeder dieser Städte produzierten sie Videos, die für sich sprechen. Auf dem Roten Platz in Moskau erzählen die beiden von einem Gespräch, das sie mit einem Freund Filberts führten.

Dieser Freund, der als unpolitischer IT-Fachmann dargestellt wird, erzählt bekannte Narrative: dass der Westen, insbesondere die USA, mit ihrem Agieren Russland zu diesem Krieg gezwungen hätte, dass die NATO-Osterweiterung ein unerträgliches Sicherheitsproblem für Russland darstelle und dass der Kreml bis zuletzt eine friedliche Lösung anstrebte, die USA jedoch die Minsker Verhandlungen behindert hätten. Baab widerspricht diesen Erzählungen nicht. 

In Rostow am Don zweifelte Baab die Wirksamkeit der westlichen Sanktionen an. Auf einem Marktplatz verweist er auf Obst und Gemüse, das eine bessere Qualität habe als das in Deutschland. Da sie in einem Moskauer Kaufhaus deutsche Waschmaschinen und japanische Flatscreens gesehen haben, sei es offensichtlich, dass die Sanktionen ihre Wirkung im russischen Alltag verfehlten. Lediglich die Inflation würde so in die Höhe getrieben.

Ob man die komplexen Auswirkungen internationaler Sanktionen auf die Volkswirtschaft eines riesigen Landes anhand der Qualität von Tomaten und Gurken bemessen kann, ist wohl fragwürdig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Russland 2014 ein Importverbot für Agrarprodukte und Lebensmittel aus westlichen Staaten verhängte.  

Es gehe bei den Sanktionen gar nicht um Russland, sondern um die Menschen in Deutschland, so Baab. Denn wenn diese „gebannt auf den angeblichen Bösewicht im Kreml schauen, dann wird ihnen hinterrücks offensichtlich das Fell über die Ohren gezogen, durch steigende Energiepreise.“ Ziel sei es, eine neue Energiewende auf Kosten der Arbeitnehmer:innen durchzusetzen. 

In Mariupol läuft Baab über das zerschossene Asow-Stahl-Gelände und hält bei einem zerstörten ukrainischen Panzer inne. Dann verweist er auf ein faschistisches Symbol, das auf das Fahrzeug eingebrannt wurde, eine Wolfsrune. Für Baab ein Beweis für die faschistische Tradition der Asow-Regimente. Daraufhin folgte eine unkommentierte Aneinanderreihung verschiedener faschistischer Devotionalien. 

Die Entlassung an der CAU

Baabs Reise wäre fast nur den wenigen Zuschauer:innen Druschba FMs bekannt geblieben, hätte Ende September T-Online nicht einen Artikel über deutsche ‚Wahlbeobachter:innen’ bei den russischen Scheinreferenden in der Ukraine veröffentlicht. Darunter: Patrik Baab. Brisant sind die Schilderungen über seine Teilnahme an einer Pressekonferenz zu den ‚Referenden’, in der er seine Eindrücke zur ‚Wahl’ gegenüber russischen Medien zum Besten gibt.

Hier kritisierte er zwar auch das Vorgehen, so habe er drei Wahllokale unter freiem Himmel beobachtet, die den Anforderungen einer freien und geheimen Wahl nicht genügt hätten, T-Online zufolge erklärte Baab anderen Medienvertreter:innen aber auch, dass sich die Behörden zur Organisation eines demokratischen Referendums viel Mühe geben würden. Als direkte Konsequenz auf diesen Artikel verlor Baab umgehend seinen Lehrauftrag an einer privaten Hochschule in Berlin. Kurze Zeit später auch den an der CAU Kiel. 

Dem ALBRECHT erklärte Baab, sein Verhalten sei aus Sicht „der Logik des Friedens und geordneter Verhältnisse“ schwer vorstellbar. Im Krieg, in dem Menschenleben nichts wert seien, müsste man sich danach ausrichten, lebend wieder rauszukommen. Denn auf einen Toten mehr oder weniger komme es nicht an.

Damit seine Anwesenheit nicht einfach abgestritten werden kann, falls ihm etwas zustoßen sollte, habe er sich mit der Teilnahme an der Pressekonferenz und dem Video-Tagebuch kenntlich gemacht. Das konkretisiert er mit einem Geschehnis bei Filberts und seinem Grenzübertritt zur Krim. Sie seien dabei von der örtlichen Berkut-Einheit, einer Polizeitruppe auf der Krim, festgenommen worden.

Als sie jedoch von einem höheren Offizier verhört wurden, äußerte dieser sich nach Baab wie folgt: „Das sind doch die von der Pressekonferenz. Lass sie laufen, das gibt nur Ärger!“  

Auch sei der gegen ihn erhobene Vorwurf des Wahlbeobachters – die Begründung für seine Freistellung an der Uni Kiel – haltlos. Er sei als Journalist akkreditiert gewesen und habe die Reise nicht auf Einladung Russlands angetreten. Hintergrund seiner Reise sei allein die Vorrecherche für ein Buchprojekt gewesen.   

Dem derzeitig vorherrschenden medialen Bild über ihn, das Baab ins Licht eines Putinverstehers rückt, widerspricht er vehement. Er hat stets von einem völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gesprochen und sich in seiner journalistischen Vergangenheit des Öfteren kritisch mit Putins Regime auseinandergesetzt. Dazu schickte uns Baab vier NDR-Reportagen, die in den letzten 20 Jahren aus seiner Hand, basierend auf intensiven Recherchen, entstanden sind. 

Doch ein genauerer Blick auf die Plattform Druschba FM, die Baab vor seinem Grenzübertritt in den Krieg, ohne Lebensrisiko, wählte, hinterlässt einen mehr als bedenklichen Eindruck. Kurz nach Beginn des Angriffskrieges positionierte sich die Plattform mit aller Deutlichkeit auf ihrem offiziellen Telegram-Account: „Russland führt aktuell eine ‚Entnazifizierung‘ durch. Dies hätten wir in Deutschland nach 1945 auch gebraucht. Aber wir sind zuversichtlich, dass dies in naher Zukunft geschieht…“

Gegenüber dem ALBRECHT führt Baab an, dass er nicht für Äußerungen auf Druschba FM in Kontaktschuld gebracht werden sollte. Er sei nicht dafür verantwortlich, was andere auf der Plattform von sich geben, sondern nur für seine eigenen Einlassungen. Darüber hinaus habe seine Kooperation mit Sergey Filbert keine politischen Gründe, sondern sei rein pragmatisch.

Baab habe einen Begleiter gebraucht, über den er einen Zugang in Russland bekommt, etwa zum Bankensystem oder ganz grundlegend sprachlich, und der nicht beim ersten Schuss die Nerven verlieren würde.   

Dementgegen strahlen die Video-Tagebücher unserer Wahrnehmung nach Einigkeit aus. Hitzige Diskussionen? Fehlanzeige. Die interessierten Leser:innen dieses Artikels sind aber herzlich eingeladen, selbst hinzusehen und eine eigene Meinung zu bilden.  

Autor*in

Jebril ist 22 Jahre alt und studiert seit einer gefühlten Ewigkeit Philosophie und Anglistik. In seiner Freizeit fotografiert er gerne, verbringt Zeit mit seinen Freunden, spielt gerne Schach und ist leidenschaftlicher Fahrradfahrer. Beim Albrecht ist er für das Ressort Hochschule tätig.

Autor*in
Ressortleitung Hochschule

Jesse ist 20 Jahre alt und studiert Politikwissenschaft und Geschichte an der CAU. Seit dem Sommersemester 2022 schreibt er für den ALBRECHT. Mittlereweile leitet er das Hochschulressort.

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