Wie ich mich nur langsam mit Bewerbungsschreiben anfreunde 

Sonntagabend. Ich habe nach ewig langer Vorbereitung endlich meine Bewerbung samt Lebenslauf und Anschreiben fertig. Beide Dokumente hatte ich vorher bereits von drei Leuten Korrekturlesen lassen. Alle hatten Anmerkungen und alle haben mir auf ihre Art und Weise auch weitergeholfen. Aber am Ende war ich doch nur eins: immer noch unzufrieden mit der Bewerbung.

Jeder Satz, jeder Punkt und jedes Komma, ja selbst die Länge der einzelnen Absätze sollte perfekt sein. Doch je häufiger ich es las, umso mehr kamen mir bestimmte Sätze komisch formuliert vor. Deswegen verbrachte ich nicht nur den Freitagabend mit der Bewerbung, sondern saß auch an den beiden darauffolgenden Tagen noch daran. Wie sich herausstellte, war das Schreiben aber nur die halbe Miete. 

Eine Frage der Zeit 

Es kam ein Punkt, an dem ich endlich zufrieden war mit meiner Bewerbung und sie abschicken wollte. Aber Stopp: Wäre nicht eine Bewerbung am Montag viel besser, damit ich möglichst weit oben im Postfach auftauche? Okay, vielleicht doch noch nicht abschicken. Stattdessen begann ich erneut, Zeit vor dem Computer zu verschwenden. Ich tat etwas, was viele Menschen machen, wenn sie verzweifelt sind und dringend Rat brauchen: Ich bat Google um Hilfe. ‚Was ist die beste Uhrzeit, um Bewerbungen abzugeben?’ tippte ich ein. Bevor ihr jetzt selbst anfangt nachzuschauen, hier die Antwort: Weder das Wochenende noch der Montag sind eine gute Idee. Der Wochentag, an dem die Bewerbung laut irgendeiner neunmalklugen Statistik abgeschickt werden sollte, sei tatsächlich der Dienstag. Genauer gesagt Dienstag zwischen 8:00 und 11:00 Uhr. Nur in diesem Zeitrahmen könnte ich es schaffen, ganz oben im Posteingang aufzuploppen. Denn dann seien die Personaler:innen noch ‚motiviert’.  

Also gut – mir diesen Tipp zu Herzen nehmend, akzeptierte ich mein Schicksal und wartete noch zwei weitere quälende Tage. Hätte ich keinen Zeitdruck durch die nahende Bewerbungsfrist gehabt, hätte ich auch zu noch drastischeren Mitteln greifen können. Eine Seite schlug mir vor, bei der Bewerbung auch auf die passende Jahreszeit zu achten. Da stellte sich mir nur die Frage, wer so langfristig im Voraus plant. Ich zumindest nicht. 

Alle Mühen umsonst?

Seitdem sind einige Wochen vergangen und die Absage flatterte letztens schön fröhlich in meinen E-Mails ein – wohlgemerkt an einem Montagnachmittag. „Liebe Frau Finke, leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns nicht für Sie entschieden haben. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aufgrund der hohen Anzahl von Bewerbungen diese Absage nicht weiter im Detail begründen können.” Alles klar, danke für Nichts. Ist ja nicht so, als hätte ich Ihnen gerade mein Herz ausgeschüttet, warum diese – und nur diese Stelle, so gaukelt es zumindest das Anschreiben vor – mein Traumjob gewesen wäre. Ist ja nicht so, als hätte ich ein Vorstellungsvideo drehen und extra ein Schnittprogramm verstehen müssen, um mich zu bewerben. Aber hey, das ist okay. Es gibt tausend Stellen und dass es da sehr wahrscheinlich nicht die erstbeste wird, war mir auch bewusst. Aber trotzdem tut es weh. Naja, wenigstens habe ich jetzt ein bisschen mehr Übung und weiß schon mal, wie ich die nächste Bewerbung anpacke. Vielleicht wage ich dann mal richtig was und schicke sie einfach an einem Mittwoch ab. 

Autor*in

Kristin studiert Soziologie und Politikwissenschaft. Sie ist seit Ende 2018 beim ALBRECHT und war im Jahr 2020 Ressortleiterin der "Hochschule". Außerdem unterstützt sie das Lektoratsteam.

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