Schlachthof 5 überzeugt mit tiefer Botschaft

Langanhaltender Applaus, tiefgehende Gespräche im Foyer des Theaters, das Publikum ist sich einig: Diese Inszenierung geht unter die Haut – im positiven Sinne. Das Junge Theater im Werftpark ist vielen bekannt für seine Kinder- und Jugendstücke, Erfahrene kennen es aber auch für seine ernsteren Darbietungen. Zu letzteren zählt diese Inszenierung, die in der Premierenvorstellung am 17. Februar ein bunt durchmischtes Publikum nahezu aller Altersgruppen begeisterte und trotz der ernsten Themen auch den Humor nicht zu kurz kommen ließ. Schlachthof 5 ist die neueste Produktion von Johannes Ender und stellt eine Mischung aus Kriegsdrama und Science-Fiction dar. Vorlage des Stücks ist der gleichnamige Roman von Kurt Vonnegut. 

Billy Pilgrim ist US-Amerikaner und ein sogenannter ‚Zeitspastiker’. Als er 1944 in den 2. Weltkrieg eingezogen wird und hinter die feindlichen Linien gerät, beginnt sein Leben aus den Fugen zu geraten und nicht mehr chronologisch zu verlaufen. Seitdem springt er von einem Augenblick seines Lebens zum nächsten: Von der Bombardierung Dresdens, die er als Kriegsgefangener miterlebt, zur Hochzeit mit seiner Jugendliebe Valencia, zum Stern Tralfamador, auf den Billy von Außerirdischen entführt und im dortigen Zoo ausgestellt wird, zu seinem Tod und wieder zurück in das Kriegsgeschehen. Nie weiß er, wann und wo er als nächstes landen wird. 

All diese Geschehnisse und viele weitere Zeitsprünge erleben die Zuschauer*innen mit. Hierbei übernehmen die Schauspieler Lasse Wagner, Julian Melcher und die Schauspielerin Patricia Windhab abwechselnd und manchmal auch gleichzeitig die Rolle des Billy. Sie schlüpfen in die Rolle des Erzählers, der Tralfamadorianer, der anderen amerikanischen Kriegsgefangenen oder der Mutter von Billy. So schnelle Wechsel der Charaktere – zum Teil im Minutentakt – erfordern besonderes schauspielerisches Können und dieses konnten die drei in der Premierenvorstellung eindrucksvoll unter Beweis stellen. So wundert es nicht, dass auch der Intendant des Theaters Kiel, Daniel Karasek, seine ersten Eindrücke zum Stück den Schauspieler*innen widmet und das Stück als „schauspielerisch stark“ beschreibt. 

Aber auch das Bühnenbild überzeugt: Eine gigantische weiße Daunendecke, Karabiner-Haken und drei Schauspieler*innen – äußerst geschickt schaffen es Regisseur Johannes Ender und Bühnenbildnerin Hannah Landes mit wenigen Mitteln das wilde Hin und Her der Handlung einzufangen und dennoch starke Bilder zu erzeugen. In einem Moment ist Billys Frau in ein voluminöses Hochzeitskleid gehüllt, im nächsten Moment befindet er sich an einem zugefrorenen See hinter der Front. 

Eine Daunendecke als Hochzeitskleid. Bild: Olaf Struck

Das Zusammenspiel dieser Komponenten ergibt einen gelungenen Abend, an dem die Zuschauer*innen schnell merken: Dieses Stück hallt nach. Billy hat seine Vergangenheit und Zukunft gesehen, er kennt sein Leben und seinen Tod, doch den Lauf der Geschehnisse kann er nicht beeinflussen. Im Zentrum seiner Reise durch Zeit und Raum steht die Idee eines unveränderlichen, vorbestimmten Lebens. Dies scheint auf den ersten Blick wie eine tragische Geschichte. Doch für Billy wird diese Gewissheit zu einem Anker in stürmischen Zeiten. Sie ermöglicht es ihm, sich mit den Herausforderungen des Lebens auseinanderzusetzen, ohne von Angst und Unsicherheit überwältigt zu werden und den jetzigen Augenblick nur als einen unter vielen zu betrachten. So ist es im Angesicht des Todes tröstlich zu wissen, dass viele andere Momente von Glück erfüllt waren. Das Publikum wird durch Billys Erlebnisse dazu eingeladen, das eigene Leben herausgelöst aus dem Zeitstrahl zu betrachten und den Momenten im Leben die gleiche Bedeutung zuzumessen.

Wer sich mit der eigenen Sicht auf die Zeit auseinandersetzen möchte, sollte diese Adaption also nicht verpassen. Die Inszenierung ist noch bis zum 6. März im Jungen Theater im Werftpark zu sehen. Karten erhalten Studierende für 8 Euro oder kostenlos durch das Kulturticket. Zudem veranstaltet das Theater Kiel am 1. März angelehnt an die Produktion den Thementag ‚NIE WIEDER!’. Im Rahmen mehrerer Veranstaltungen gegen Rassismus und für Demokratiestärkung wird es zwei Vorführungen des Stücks inklusive Nachgespräch (10:30 und 19:30 Uhr) geben. Die Abendvorstellung wird durch eine Stückeinführung um 19 Uhr in der Volière des Theaters ergänzt. 

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