Wenn mensch von Sampling spricht, denken die meisten wahrscheinlich eher an Statistik oder die eigene Quan/Qual-Klausur. Darum soll es hier aber glücklicherweise nicht gehen. Von Sampling ist auch in der Musik die Rede. Dabei wird ein Teil eines bestehenden Songs in einem Neuen verwendet. Anders als bei einem Cover wird der Song nicht neu interpretiert, sondern nur ein kurzer Ausschnitt, wie zum Beispiel ein Gitarrenpart oder ein Teil der Lyrics, verwendet. In den letzten Jahren wurden auch vermehrt Ausschnitte aus viralen Videos, Filmen und Serien benutzt. So kommt es, dass in dem Beat von Haftbefehls Song Skit 2.1 ein Teil des Soundtracks von Avatar: The Last Airbender zu finden ist. 

Disco Jockeys und Master of Ceremonies 

Das Wiederverwenden von Melodien gibt es schon lange. Im Jazz wurden beispielsweise schon Anfang des 20. Jahrhunderts Melodien oder Progressionen von anderen Jazz-Musiker*innen aus Respekt und Ehrung kopiert. Mithilfe des Kassettenrecorders bildete sich in den 40er Jahren ein neues Genre namens Musique Concrète. Vorher aufgenommene Samples wurden mithilfe des Kassettenrecorders unter anderem verlangsamt, beschleunigt oder wiederholt.  

Eng verbunden und von vielen als wahrer Ursprung des Samplings gesehen, ist es mit der DJ-Kultur New Yorks in den 70er und 80er Jahren. Disco-Jockeys wie Grandmaster Flash benutzten Plattenspieler, um beispielsweise Schlagzeugparts auf den Platten zu wiederholen. Das Bild von DJs, die mit zwei Plattenspielern die Platten mixen und scratchen, ist heute noch bekannt. Damit wurden Beats und Songs erstellt, zu denen getanzt wurde oder über die MCs (Master of Ceremony) gerappt haben. Sampling war dadurch elementar wichtig für die Entstehung von HipHop. Eine große Hilfe waren die Drumcomputer, die während der 80er Jahre auf den Markt kamen. Zwar technisch noch sehr limitiert, denn die Samplelänge lag bei wenigen Sekunden, konnten Beats erstellt und abgespielt werden, ohne auf die Platten angewiesen zu sein.  

Viele der Sampleursprungsplatten wurden beim sogenannten ‚Crate digging’ von den DJs und Produzent*innen gefunden. Dabei wird in Second-Hand Läden nach Platten gesucht, die perfekt zum Sampeln sind. Oft handelte es sich um Funk und Rockplatten aus den 60er und 70er Jahren. Dieser Einfluss lässt sich auch hören. Der Song The Funky Drummer von James Brown ist laut whosampled.com der meistgesampelte Song und die Basis für viele Breakbeats. Ähnlich ist das bei dem Song Rhyming and Stealing von den Beastie Boys. Die Schlagzeug-Groove in dem Song ist eigentlich aus einem Led Zeppelin Song. 

Klauen oder Kreativität? 

Die Rechtslage zum Sampling ist schwierig. In den USA war die ‚Get a license or do not sample’ -Regel die gängige Praxis. Wer sampeln möchte, muss sich das von den Rechtebesitzer*innen genehmigen lassen. Grund dafür ist ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2005. Die HipHop-Gruppe N.W.A. wurde damals wegen eines zwei Sekunden langen Gitarrenparts in ihrem Song 100 Miles and Runnin verklagt, den sie ohne Genehmigung und ohne finanzielle Kompensation verwendet hatten. Das Gericht entschied damals, dass jegliches Sampling ohne Lizensierung, egal ob kommerziell oder nicht, rechtswidrig ist. Allerdings ist die Entscheidung des Gerichts nicht bindend für die gesamten USA und ist unter anderem von anderen Jurist*innen nicht wohlwollend aufgenommen worden. Jedes Gericht, was nicht an die Entscheidung gebunden war, hat diese Regelung abgelehnt. Wie zum Beispiel im Falle von Madonna. Sie wurde 2016 wegen eines gesampelten Hornes Vogue angeklagt. Anders als im obigen Fall bekam jedoch Madonna Recht, da der kopierte Teil nicht substantiell genug war, um es als Urheberrechtsverletzung anzusehen. In der Gerichtserklärung wurde explizit der Fall von 2005 erwähnt sowie die Spaltung der Gerichte, die durch diese Entscheidung entstanden ist. 

Einen ähnlichen Fall gab es auch in Deutschland. 1997 sampelte der HipHop-Produzent Moses Pelham zwei Sekunden aus dem Kraftwerk Song Metall auf Metall. Diese zwei Sekunden wurden die Basis für Sabrina Setlurs Song Nur mir. Moses P fragte Kraftwerk nicht nach Erlaubnis und wurde daraufhin verklagt. Anders als in Amerika ist der Rechtsstreit noch heute nicht beendet. Grund dafür sind mehrere Verschärfungen des Urheberrechtes innerhalb der EU. Durch die erste Verschärfung 2002 bekam Kraftwerk Recht zugesprochen. Vorher wurde nach dem deutschen Urheberrecht Moses Pelham recht gegeben. Durch eine erneute Verschärfung 2019 wurde der Fall aufgrund der Frage der finanziellen Kompensation aufgerollt. Da die Verschärfung jedoch auf viel Gegenwind aus der Öffentlichkeit gestoßen ist, wurde 2021 eine Ausnahme namens Pastiche hinzugefügt. Da der Ausdruck aber nicht im europäischen Recht definiert wurde, muss der Europäische Gerichtshof erst eine feste Definition finden. Erst wenn da eine Entscheidung gefallen ist, kann der Bundesgerichtshof endgültig eine Entscheidung treffen.  

Endgültig abgeschlossen ist es dann wahrscheinlich trotzdem nicht. 

Autor*in
Stellv. Chefredakteur und Layouter

Joschka studiert seit dem Wintersemester 20/21 Soziologie und Politikwissenschaft und ist seit Ende 2022 Teil des Albrechtsteams. Dazu leitet er seit dem März 2023 das Layoutteam und ist seit Februar 2024 stellvertretende Chefredaktion.

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