Pamela Fleischmann spricht über die Ungleichbehandlung von Frauen in der Informatik

„Ich bin entsetzt, wütend und sogar resigniert, wenn ich in manchen Situationen weiß: Es wird sich nicht ändern.“ Diese Gedanken hat Pamela Fleischmann, wenn ihr erzählt wird, womit Frauen in der Informatik zu kämpfen haben. Masturbation in Vorlesungen, Dickpics und Auslachen einzelner Frauen sind nur einige Vorfälle der letzten drei Jahre. Die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte steckt viel Arbeit und Herzblut in ihren Kampf gegen Sexismus. 

Zuhören und zusammenhalten 

„Wir bieten den Frauen einen Ort, an dem wir uns gegenseitig zuhören“, erzählt Pamela und möchte den Studentinnen zeigen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Dafür rief sie vor etwa einem halben Jahr das Frauencafé ins Leben – ein Ort zum Austauschen, Plaudern und Auskotzen. 

Vor dem Frauencafé gab es in der Informatik nur einen Kummerkasten, an den sich die Studentinnen wenden konnten. Jedoch wurde der nur selten genutzt. „Für viele ist das Aufschreiben ihrer Erlebnisse sehr schwierig. Es ist eine Hürde. Erst wenn man ungezwungen mit den Betroffenen reden kann, trauen sich viele, ihre Probleme auch auszusprechen“, erzählt die Informatikerin.  

Alltagssexismus 

Von welcher Gruppe ein Großteil des Sexismus ausgeht, ist mittlerweile auch bekannt. „Die Fachschaft hat eine Umfrage geführt, in der sie feststellen konnte, dass Studentinnen der Informatik am meisten Angst haben, vor ihren Kommilitonen und nicht den Dozierenden als dumm dazustehen. Das heißt, es handelt sich um ein tiefliegendes Problem“, berichtet Pamela. Es gibt demnach ein strukturell gesellschaftliches Problem, das durch Erziehung und allgemeine gesellschaftliche Strukturen entsteht. Deswegen höre es auch nicht auf, wenn die ‚alte Garde’ die Uni verlässt. Schließlich kommen jedes Jahr neue Studenten mit ähnlichen tiefverwurzelten Ansichten. 

„Die wenigsten sind offen der Meinung, Frauen gehören hier nicht her. Es sind eher die kleinen Dinge, die den Alltag und dann auch das gesamte Studium schwieriger machen.“ Dass Frauen nicht immer ernst genommen oder unangebrachte Witze gemacht werden, sei Alltag. Die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte kann aus eigener Erfahrung sprechen. Denn auch sie brach als Studentin ihr erstes Studium in Physik ab, da sie mit starkem Sexismus zu kämpfen hatte. Damals wandte sie sich an die Uni, doch diese unterstützte sie kaum. Auch heute gibt es immer wieder Situationen, in denen sie zurecht empört ist. „Ich arbeite im gleichen Stock wie das Prüfungsamt und wurde schon häufiger mit einer Verwaltungsmitarbeiterin verwechselt. Jedes Mal, wenn das passiert, denke ich nur: Wieso gehen alle davon aus, dass ich als Frau nur in der Verwaltung arbeiten kann und nicht in der Informatik?”  

Wegen solchen Erfahrungen, aber auch denen, die die Studentinnen tagtäglich erleben, sei es umso wichtiger, dass Frauen ihre Präsenz zeigen. Daher organisiert Pamela nun zum zweiten Mal einen Frauenvortragsmarathon am Weltfrauentag. „Wir wollen unbedingt sagen: Hallo, uns gibt es und wir sind da!“, erzählt Pamela stolz. Das Ziel der Vorträge sei es, Frauen eine Stimme zu geben und zu zeigen, dass jede etwas zu sagen hat und dass Technik eben nicht nur Männersache ist. 

Die Stimme der Informatikerinnen 

„Eigentlich wollten wir dafür ins Audimax. Wir wollten auf die große Bühne, um allen zu zeigen, wer wir sind. Leider sind am 8. März Studieninformationstage und wir mussten in die Mathe-Hörsäle ausweichen. Schade, denn den Weltfrauentag kann man nicht verschieben. Studieninformationstage schon“, berichtet Pamela. Und nicht nur dort trifft die Dozentin auf Probleme: Auch in Sachen Gleichstellungsausschuss treffen sie und ihre Kolleginnen immer wieder auf Schwierigkeiten. „Wir hatten einen sehr ausführlichen und ambitionierten Gleichstellungsplan ausgearbeitet. Doch der wurde abgelehnt.“ 30Prozent Frauenanteil bis 2030 in der gesamten Technischen Fakultät war eines der Ziele, das nun nicht angegangen wird. Stattdessen entschied sich der Ausschuss für weniger ambitionierte und dafür schnell zu erreichende Ziele und Maßnahmen. Der Grund: Man wolle schneller Erfolge sehen, anstatt die Probleme tiefgreifender anzupacken. 

Den Mut haben, aufzustehen 

Heute ist Informatik ein Studiengang, in dem der Frauenanteil fast 20 Prozent erreicht. Damit liegt er über 30 Prozent unter dem Uni-Durchschnitt. Probleme für Frauen, die Pamela selbst in ihrem Studium und teilweise heute noch als wissenschaftliche Mitarbeiterin erleben musste, sind auch für viele Studentinnen Alltag. Doch damit sich wirklich etwas ändern kann, braucht Pamela die Hilfe von allen betroffenen Frauen. 

„Wir können erst etwas machen, wenn wir wissen, dass etwas passiert und was passiert. Wenn Frauen sich trauen, nach vorne zu treten und ihre Geschichten erzählen.“ 

Autor*in

Nele studiert seit Wintersemester 2019/20 Politikwissenschaften und Deutsch an der CAU. Im Mai 2020 hat sie als Redakteurin und im Lektorat-Team beim ALBRECHT angefangen. Sie war bis zum SoSe 23 zwei Jahre lang Gesellschaft-Ressort-Leitung.

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