Ein Kieltopia-Gründungsmitglied berichtet über die kleinen und großen Herausforderungen des Podcastens

Nils verwandelt sein 20 Quadratmeter großes WG-Zimmer regelmäßig in ein professionelles Aufnahmestudio. Mit dem dicken blauen Teppich, der auf dem Boden liegt und den schweren Vorhängen, die sein Zimmer so verdunkeln, dass kein einziger Lichtstrahl mehr durchkommt, bietet es die perfekten Voraussetzungen.  

Warum er das macht? Den gebürtigen Münsteraner hat es nach seinem Bachelor in Bremen für den Master in den echten Norden verschlagen. Der 25-Jährige studiert mittlerweile im vierten Mastersemester Sustainability, Society and the Environment. Wie sich schnell zeigt, ist das Studium sehr praktisch ausgerichtet: In den ersten drei Semestern sollen die Studierenden ein nachhaltiges Projekt planen und in die Realität umsetzen. Zusammen mit Elske, Laura und Mareike produziert Nils seit nunmehr anderthalb Jahren einen eigenen Podcast: Kieltopia.  

Wie kann eine nachhaltigere Zukunft aussehen? 

23 Episoden haben die vier Studierenden bereits aufgenommen. In diesen sprechen sie mit Gründer:innen und Expert:innen über nachhaltige Lösungen, die mal mehr, mal weniger realistisch sind. „Unsere Idee ist es, Visionen zu entwickeln, wie Kiel in Zukunft aussehen könnte und dabei unsere ganze Vorstellungskraft zu benutzen. Wir wollen unseren Zuhörerinnen und Zuhörern Träumen ermöglichen”, erklärt Nils.

Deswegen können die Kieltopia-Zuhörer:innen in ein Kiel eintauchen, in dem Studieren an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bedeutet, an einer klimaneutralen Uni zu lernen. Oder in eins, in dem Haushalte keine Fernwärme mehr benötigen, sondern sich mithilfe von Kompost selbst versorgen können. Aber auch Themen wie Mobilität, Altersarmut oder die weibliche Sexualität sind in dem Podcast Thema. In jeder Folge laden die Podcaster:innen einen neuen Gast aus Kiel oder Umgebung ein. Diese stellen nicht nur ihre Visionen für die Landeshauptstadt vor, sondern geben auch Tipps, wie jede:r Einzelne sich für eine bessere Zukunft einsetzen kann. 

Der Weg zum eigenen Podcast 

Zu einem nachhaltigeren Lebensstil inspiriert hat Nils der Umweltaktivist Rob Hopkins mit seinem Buch From What Is to What If. Kleinigkeiten, die zur Energiewende beitragen, seien zwar gut. Viel wichtiger findet Nils aber, dass es auch strukturelle Veränderungen gibt. „In unserer WG nutzen wir zum Beispiel Ökostrom und wenn ich mal ein Auto brauche, schaue ich, ob ich beim Carsharing ein E-Auto erwischen kann.“  

Von dem Buch inspiriert entstand auch die erste Idee für ein Projekt: Eine Kurzgeschichtensammlung, in der verschiedene Visionen über das Zusammenleben in Kiel zusammenkommen. „Das wäre aber nur eine einmalige Sache gewesen und wir wollten was Langfristiges“, betont Nils. Der zündende Einfall kam letztlich von einer Kommilitonin. Mit ihrer Idee heben sich die Studierenden von anderen Podcasts ab, indem sie die Ideen vorstellen, die sich direkt vor der Haustür finden lassen.

Im Gegensatz zu ähnlich aufgebauten Formaten – eines der bekanntesten ist der Podcast Mal angenommen der Tagesschau – wollen Nils und seine Mitstreiterinnen nicht darauf eingehen, wie unrealistisch und schwer umsetzbar einige der Projekte sind. „Kreatives Denken ist so wichtig. Wenn wir da immer nur die Frage im Hinterkopf haben, wer das alles bezahlt und wie viel Aufwand das kosten würde, scheitern wir immer an derselben Stelle“, erklärt der Masterstudent. Daher auch der Name des Podcasts – Kieltopia, zusammengesetzt aus ‚Kiel‘ und ‚Utopia‘ – damit deutlich wird, dass es nicht immer darauf ankommt, wie realistisch eine Vorstellung ist. „Das ist unser Unique Selling Point, wie man im Marketing jetzt sagen würde“, ergänzt Nils mit einem Grinsen im Gesicht. 

Ein junger Mann trägt Kophörer und testet sein Mikrofon.
Nach dem Soundcheck kann die Aufnahme beginnen.
© Kieltopia

Zwischen Professionalität und Learning by Doing 

Wer sich jetzt allerdings vorstellt, dass die Arbeit mit Mikrofon anschalten, Interview aufnehmen und Mikrofon wieder ausschalten schon getan ist, hat weit gefehlt. Nach der Aufnahme beginnt erst die richtige Arbeit: Nils bearbeitet die Audiodatei und schneidet die vielen kleinen „Ähms“ und „Ach nee, kann ich das bitte nochmal von vorn erklären?“ raus. Das bedeutet Kleinstarbeit auf höchstem Niveau, denn die Zuhörer:innen sollen am Ende nicht merken, dass etwas fehlt. Und wenn es nur eine Atempause ist, die unrealistisch erscheint. Insgesamt steckt er acht bis zehn Stunden Arbeit in eine Podcastfolge. Wie viel Zeit es genau ist, hängt auch davon ab, ob er das Interview führt oder Elske, die ebenfalls als Moderatorin im Team aktiv ist.  

Das meiste von dem was er macht, musste Nils sich erst anlesen oder durch Learning by Doing selbst herausfinden. Und wie so oft im Leben hilft auch hier Vitamin B weiter – über eine Kommilitonin hat das Team rund um Nils Kontakt zu einem professionellen Podcaster aufgenommen, mit dem sie das Konzept des Zukunftspodcasts gemeinsam besprochen haben.

Podcast auf Nachwuchssuche

Das Team um die vier Podcaster:innen steht nach der Corona-Pandemie nun bereits vor der nächsten Herausforderung: Laura und Mareike, die in dem Team für den Social-Media-Auftritt sowie das Webdesign zuständig sind, sind zurzeit für ein Auslandssemester in Norwegen bzw. Portugal und auch das Studium selbst neigt sich dem Ende zu. Deshalb ist das Team auf Nachwuchssuche, und kann auch schon erste Erfolge verzeichnen: Seit Juli vergangenen Jahres berichtet Dan über verschiedene aktuelle Aktionen, zum Beispiel die Klimastreiks in Kiel. Auch eine Kommilitonin aus einem früheren Semester ist vor Kurzem mit in das Projekt eingestiegen. Nils erklärt: „Ich habe den Podcast in der Pilotphase mitaufgebaut. Aber ich möchte natürlich auch, dass es weitergeht, wenn wir mal keine Zeit mehr dafür haben sollten.“ 

Die Episoden erscheinen auf allen gängigen Podcast-Plattformen sowie unter kieltopia.de.

Autor*in

Kristin studiert Soziologie und Politikwissenschaft. Sie ist seit Ende 2018 beim ALBRECHT und war im Jahr 2020 Ressortleiterin der "Hochschule". Außerdem unterstützt sie das Lektoratsteam.

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