Jugendoper Die besseren Wälder feiert Premiere am Theater Kiel

Ferdinand, ein kleiner Wolf, verliert als Kind seine Eltern durch einen Jäger und wird von einem kinderlosen Schafspaar aufgenommen. Sie verkleiden ihn als Schaf und bringen ihm Schafsmanieren bei. Über die Jahre wird das kleine Wolfsjunge fester Teil der Herde. Lediglich sein urtümlicher Drang, über den schützenden Zaun rund um die Weide zu springen, handelt ihm das ein oder andere Mal Ärger ein. Die jungen Schauspieler*innen, Musiker*innen und Tänzer*innen leisten in der neuen Produktion wirklich Großartiges. Sie erzählen eine wunderbare Geschichte über Heimat, Familie, Herkunft und Erwachsenwerden und das in einer künstlerischen Brillanz, die begeistert.   

Mit seiner gleichnamigen Fabel liefert Martin Baltscheit das Ausgangsmaterial für Friederike Karigs Libretto und Peter Leipolds Komposition für die Jugendoper der Akademien am Theater Kiel. Die drei Akademien sind unterteilt in Chor, Orchester und Ballett und ihre Mitglieder sind alle im Alter von ca. sechs bis 18 Jahren. Die professionelle und kostenlose Ausbildung der Kinder und Jugendlichen fördert das Theater Kiel im Rahmen des Vereins Akademien am Theater Kiel e.V. zum Teil seit mehr als zehn Jahren. In jeder Spielzeit sind die Akademien an verschiedenen Produktionen des Theaters beteiligt und werden über das Jahr hinweg von Profis aus den verschiedenen Bereichen des Theaters gecoacht.  

Dieses Jahr sollte eine Jugendoper entstehen, bei der alle drei Akademien ihre Leistungen unter Beweis stellen können. Also machten sich Friederike Karig und Peter Leipold ans Werk und schufen ein Stück, das es schon rein musikalisch wirklich in sich hat. Viele dissonante Klänge und ausgefallene Taktarten prägen die Komposition. Es handelt sich bei dieser Produktion also durchaus um eine Jugend- und ganz dezidiert nicht um eine Kinderoper. Das Orchester musste viel zählen und sich auf das Dirigat von Moritz Caffier konzentrieren. Dieser leitete das Ensemble souverän durch das neue Werk und durfte auch selbst Gewehrschüsse mit einem Klatschen nachahmen.

Junge Talente erobern die Bühne

Auch die vielen jungen Darsteller*innen auf der Bühne wurden vor einige musikalische Herausforderungen gestellt. Lisann Rickert und Lotta Wolter in der Hauptrolle des Ferdinands als Kind und als Jugendlicher zeigten ihr großes Talent in den vielen solistischen Passagen, die sie zu bewältigen hatten. Auch ‚Ferdis‘ Zieheltern Frauke (Josefine Bollmann) und Wanja (Willem Klemmer) brillierten in Duetten, in denen sie zumeist die Lebensumstände ihres Kindes diskutierten. All diese Sänger*innen meistern ihre Auftritte mit Bravour. Und das umgeben von zig kleinen und etwas größeren Schafen, Wölfen und anderen Waldtieren aus der Statisterie der Ballettakademie. Das immersive Bühnenbild besteht zu vielen Zeitpunkten aus mehreren Ebenen dünnen Netzstoffes, der als Projektionsfläche dient. Die Schneeflocke als Symbol der Reinheit und Unschuld des Schafes in seiner weißen Wolle wird sowohl in den Projektionen als auch in Requisiten aus Holz immer wieder in den Vordergrund gerückt.  

Eindrucksvoll setzt das Ensemble das schwierige musikalische Material um, doch könnten die Schauspieler*innen, Musiker*innen und Tänzer*innen vermutlich noch heller strahlen, wenn Peter Leipold ein etwas ‚leichteres‘ Werk geschaffen hätte – nur etwas leichter. Die erwähnten, sich öfter wiederholenden und zum Teil dissonanten Melodieläufe in teilweise außergewöhnlichen Taktarten scheinen nicht nur das Ensemble, sondern auch das Publikum anzustrengen. Die ein oder andere Auflösung täte dem gesamten Stück gut. Genug passende Szenen gäbe es. Aber die Akademist*innen haben sich davon keinesfalls einschüchtern lassen, was ihnen hoch anzurechnen ist. Nach 75 intensiven Minuten am Premierenabend kam das Publikum zum Zug und belohnte die Kinder und Jugendlichen durch minutenlangen tosenden Applaus.  

Wer auf der Suche nach einem modernen Stück über Heimat, Familie, Herkunft und Erwachsenwerden ist, hat am 23. oder 24.September wieder die Möglichkeit, eine der weiteren Vorstellungen der aktuellen Jugendproduktion Die besseren Wälder zu besuchen. 

Autor*in
Chefredakteur

Finn ist seit Februar 2024 Chefredakteur des ALBRECHTs. Zuvor hat er ein Jahr lang das Kulturressort geleitet. Er studiert seit dem Wintersemester 20/21 Englisch und Geographie auf Lehramt und ist seit dem WiSe 22/23 Teil der Redaktion.

Share.
Leave A Reply