Franziska Fuchs ist nervös, schon seit einer halben Stunde wird an Elga herumgeschraubt. Bei Elga handelt es sich um ein altes Radio, ein Erbstück, das schon Franziskas Urgroßmutter gehört hat. Franziska kennt Reparatur-Cafés aus ihrer Heimatstadt Oldenburg. Als ihre Eltern das seit Jahren funktionsunfähige Radio wegwerfen wollten, recherchierte sie, ob es ein solches auch in Kiel gibt und wurde mit dem Reparatur-Café in Gaarden fündig.

15 Minuten, das ist die Zeit, die sich die Ehrenamtlichen des Reparatur-Cafés für ein Gerät als Richtlinie gesetzt haben, an diesem Samstag bleibt allerdings etwas mehr. Die Maisonne lockt die Kieler nach draußen, nur vereinzelt kommen Menschen mit kaputten Toastern, Nähmaschinen oder Bügeleisen in das Mehrgenerationenhaus in Gaarden. Ein Gerät pro Besucher und alles, was unter den Arm passt, das sind die Kriterien, die erfüllt werden müssen. „Im Schnitt sind es 60 bis 100 Besucher pro Veranstaltung“, erzählt Jasmin Tarhouni, sie arbeitet im Wirtschaftsbüro in Gaarden und hat zusammen mit Hans-Ulrich Stangen das Reparatur-Café ins Leben gerufen. Viermal im Jahr soll hier die Kultur und das Wissen um das Reparieren weitergegeben werden. „Wir sind kein Reparaturdienstleister“, macht Tarhouni klar. So werden Smartphones nicht repariert, um nicht in Wettbewerb mit den umliegenden Geschäften zu treten. Stattdessen sollen die Besucher die Möglichkeit haben, unter der Anleitung der ehrenamtlichen Experten ihre kaputten Geräte selbst zu reparieren.

Ob Radio, Computer oder Nähmaschine im Reparatur-Café gibt es für beinahe jeden Problemfall einen Experten. // Quelle: Wirtschaftsbüro Gaarden
Ob Radio, Computer oder Nähmaschine im Reparatur-Café gibt es für beinahe jeden Problemfall einen Experten. // Quelle: Wirtschaftsbüro Gaarden

Peter Yesz ist einer dieser ehrenamtlichen Experten. Der gelernte Elektromaschinenbauer ist, wie die meisten hier, von Hans-Ulrich Stangen für das Reparatur-Café rekrutiert worden. Anders als die überwiegende Zahl seiner Kollegen ist er aber kein ehemaliger HDW-Mitarbeiter. Yesz hat zuletzt für die Stadt Kiel gearbeitet und ist seit nun fünf Jahren Rentner. Schon seit dem ersten Reparatur-Café im Oktober 2013 ist er dabei. Auch Zuhause repariert er alles, was er kann. Hier im Café mache es ihm Spaß, den Menschen helfen zu können, sagt er, meistens gelinge das auch. Manchmal aber scheinen die Hersteller etwas dagegen zu haben, dass ihre Produkte eigenständig repariert werden. Viele Geräte seien heute geklebt statt verschraubt oder man brauche Spezialwerkzeug, um noch irgendetwas machen zu können, erzählt Yesz. Dass einige Produkte heute nicht mehr hergestellt werden, um möglichst lange zu funktionieren, sei vor allem den älteren Besuchern des Reparatur-Cafés schwer zu erklären. „Deswegen nicht helfen zu können, das ärgert mich“, sagt Yesz.

Aber es gibt auch die anderen Geschichten, wie sie Rainer Schill, ehrenamtlicher Experte der ersten Stunde, erzählt. Von der älteren Dame, die mit dem kaputten Schallplattenspieler ihres verstorbenen Mannes vorbeikommt und sich bei dem Reparateur, bei der nächsten Veranstaltung mit einigen Stücken aus der Sammlung ihres Mannes bedankt.

Im Reparatur-Café geben die ehrenamtlichen Helfer ihr Wissen um die Kunst des Reparierens weiter  // Quelle: Wirtschaftsbüro Gaarden
Im Reparatur-Café geben die ehrenamtlichen Helfer ihr Wissen um die Kunst des Reparierens weiter
// Quelle: Wirtschaftsbüro Gaarden

Zu den Geräten, die ins Mehrgenerationenhaus gebracht werden, besteht häufig ein emotionaler Bezug: sei es das alte Radio, von dem sich die Urenkelin noch nicht trennen möchte oder die 60 Jahre alte Uhr der Mutter, die nach einem Uhrwerkwechsel plötzlich eine Stunde vorgeht. Mindestens genauso oft sind es Alltagsgegenstände: ein Föhn, ein Mixer oder ein Bügeleisen, denen die Besitzer noch eine zweite Chance geben wollen. Das gelingt oft, manchmal können aber auch die Experten nicht mehr helfen. Dann steht im Reparatur-Café eine Wertstofftonne zur fachgerechten Entsorgung bereit. Damit auch die, denen nicht geholfen werden konnte, nicht mit leeren Händen nach Hause gehen müssen, ist seit der zweiten Veranstaltung die Gruppe Werk Statt Konsum dabei. Sie bauen mit den Besuchern Mini-Hochbeete, Hocker oder Weinkisten. „Das Reparatur-Café soll auch eine Begegnungsstätte zwischen Gaardenern und Nicht-Gaardenern sein. Dass dieser Stadtteil auch Vorbildcharakter haben kann, das wollen wir zeigen“, sagt Jasmin Tarhouni und so freut sich Neu-Kielerin Franziska Fuchs am Ende nicht nur über den Kontakt mit anderen Stadtbewohnern, sondern auch über die Klänge von Way down we go aus dem Radio ihrer Urgroßmutter.

Das Reparatur-Café findet 2017 noch zweimal statt, am 23. September und am 25. November im Mehrgenerationenhaus in Gaarden.

Autor*in

Janika studiert Politik- und Islamwissenschaft an der CAU. Sie ist seit November 2016 beim Albrecht dabei.

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